Sigrids Jüngling

Pontius Pilatus, gemalt von Christa Kessens (2003). Erst auf den zweiten Blick ist das Symbol der Christen zu erkennen.

War Pontius Pilatus ein Christ?

Das Bild gehört zum Zyklus „Antike Köpfe“. Stolz trägt der Mann einen Lorbeerbekränzt und sieht mit wachem Blick auf einen Punkt im Irgendwo. Erst auf den zweiten Blick erkennt man das Symbol der Christen: das Kreuz. Sein Längsbalken verläuft im Bildhintergrund von oben nach unten und durchscheint den Kopf des Mannes. Der Querbalken des Kreuzes, erkennbar als Hintergrund im rechten Drittel, erhellt die linke Augenpartie des Mannes. Kein Zweifel: Das ist nicht irgendein antiker Kopf, das ist der Kopf von Pontius Pilatus, dem Mann, der Jesus zum Tod am Kreuz verurteilte.
Gesicherte Informationen über sein Leben sind dürftig: Er war adelig. Unter Kaiser Tiberius war er beachtliche zehn Jahre Präfekt der Provinz Judäa, einer der unruhigsten Provinzen des Reiches. Im Jahr 36 n. Chr. wurde er abgelöst. Alles weitere ist unbekannt.
Ponitus Pilatus’ Leben bietet also viel Raum zur Spekulation und Interpretation – auch in den Evangelien. Pilatus Darstellung dort verdeutlicht denn auch ein Dilemma des Christentums: Ist Pilatus Urteil ungerecht; weil es zu Jesu Tod führte? Oder: Erfüllt das Urteil gerade den Heilsplan Gottes? Dann wäre der Römer Pilatus ein Werkzeug Gottes. Zwischen diesen Polen bewegt sich der Umgang der christlichen Kirchen mit Pilatus. Galt er der frühen Kirche sogar als Heiliger, wurde er nach und nach immer negativer bewertet und wird heute nur in der koptischen und der äthiopischen Kirche als Märtyrer bzw. Heiliger verehrt.
Mir gefällt die Auffassung des Kirchenvaters Tertullian aus dem zweiten Jahrhundert, der Pilatus als Christen bezeichnete. Genau diese Auffassung sehe ich in diesem Bild illustriert: Auch ein kühl kalkulierender Karrierist kann vom Kreuz ergriffen und zur Nachfolge berufen sein. (Sigrid Kessens, Hamburg, Schulrätin)

Sigrids Jüngling